Audiobeitrag Hochdeutsch:
Das älteste Haus in Cloppenburg hat die Adresse: Mühlenstraße 51. Heute ist es das Eckhaus Mühlenstraße/Antoniusplatz. Das war nicht immer so. Bis in die 60-er Jahre des letzten Jahrhunderts war die Mühlenstraße nach rechts (Norden) noch ein Haus länger, so dass es das vorletzte Haus in der Straßenfront war. Über das Baujahr gibt uns der Spruchbalken über der Tür Auskunft. AD 1695 den 10. May.
Wir stehen vor einem typischen Ackerbürger-Haus. Das waren Häuser von Bürgern, die im Hauptberuf z.B. Handwerker waren aber für den Eigenbedarf Tiere hielten und eine kleine Landwirtschaft betrieben. Es ist das letzte Zeugnis bürgerlicher Baukultur aus dieser Zeit in der Stadt. Im Laufe der Jahrhunderte hat es einige Veränderungen erfahren.
Was sofort ins Auge springt ist der schöne alte Fachwerkgiebel. Das Untergeschoss wurde durch den großen Schaufenstereinbau in der Nachkriegszeit seiner großen Tür beraubt; über deren Breite der Spruchbalken Auskunft gibt. Links daneben befand sich eine sogenannte „Utlucht“, (Erker) ein typisches Merkmal dieses Haustyps. Man soll vom Seitenfenster des Erkers die ganze Mühlenstraße bis zum Krapendorfer Tor (Stadtmitte) übersehen haben. Die Häuser in Cloppenburg waren fast ausschließlich giebelständig. Die Breite der Grundstücke betrug ca. 10 m.
Ursprünglich hatte das Haus im Giebel keine Fenster. Giebelräume wurden als Erntebergeraum oder als Materiallager für Handwerker genutzt. Der Spruchbalken trägt die Inschrift: „IM GLÜCK WIRSTU FEINDE HABEN/ SO DIR MISGUNNEN GOTTES GABEN/ DOCH FAHRE FORT IN DEINE WANDEL/ MIT GUTEN GEWISSE UNND RICHTIGE HANDEL“. Er enthielt so etwas wie eine Warnung. Im Glück – selbst wenn es von Gott gegeben ist – finden sich immer Neider.
Wer den Blick auf die Giebelspitze lenkt, dem wird die schöne Firstähre mit der Wetterfahne auffallen. Diese stellt den heiligen Michael im Kampf mit dem Drachen dar. Das Fabelwesen sieht sehr eigenwillig aus, vielleicht hat der damalige Schmied an einen Lindwurm gedacht.
Den Häusern in Cloppenburg drohte besonders Feuersgefahr. Man kann annehmen, dass es zuerst ein Strohdach hatte wie alle Häuser zu der Zeit. Als im Jahre 1771 von unserem damaligen Landesherren, dem Fürstbischof von Münster die Brandkasse eingeführt wurde, stand dieses Haus schon 76 Jahre an seinem Platz. 1876 ist beim Brand des Nachbarhauses ein Brandschaden dokumentiert der anschließend beseitigt wurde.
Leider ist es nicht mehr möglich den Bauherren zu ermitteln. Ab 1771 wohnte hier der Gerichtsschreiber Dr. Zumsande. Danach gab es noch 2 weitere Eigentümerwechsel.
Das Haus befand sich in guter Gesellschaft. Rechter Nachbar zur Ecke hin, (vom Betrachter aus gesehen)war im Jahre 1837 der spätere Amtsrichter und Oberjustizrat von Dinklage Carl Ludwig Nieberding, ein Sohn des berühmten Heimatforschers Carl-Heinrich Nieberding. An der anderen Seite befand sich das Anwesen des Schildwirtes Meyer. Schildwirte hatten die Berechtigung Übernachtungsgäste aufzunehmen. Meyer führte im Schild einen weißen Schwan. Schräg gegenüber stand die alte Cloppenburger Ratskapelle. Seit 1867 ist dieses Haus im Besitz der Familie Bruns, die es immer in gutem Stand hält.
Text: Hannelore Warmhold | Archiv Stadtgeschichte
Plattdeutsche Fassung: Heinrich Siefer | Kath. Akademie Stapelfeld
Sprecher Hochdeutsch: Alexander Rolfes | Kath. Akademie Stapelfeld
Quellen:
– Asche, Kurt: Das Giebelhaus in Cloppenburg. In: Beiträge zur Geschichte der Stadt Cloppenburg, Bd. 2, S. 395–397.
– Hochgartz, Hans: Bilder und Dokumente zur Geschichte der alter Cloppenburger Straßen. In: Beiträge zur Geschichte der Stadt Cloppenburg, Bd. 1, S. 163.
– Schiekel, Harald: Der Rest des Nachlasses von Carl-Heinrich Nieberding (1779 – 1851). In: Jahrbuch für das Oldenburger Münsterland 1983, S. 46.
– Originalhandriss der Stadt Cloppenburg, Flur 28, Abth. II, Katasteramt Cloppenburg, 1837, (Kopie Archiv Stadtgeschichte, Kartenbestand)
– Niedersächsisches Landearchiv Oldenburg, Münstersche Brandkasse 1771, Best. 111 – 2 Ab Nr. 10
– Niedersächsisches Landearchiv Oldenburg, Oldenb. Brandkasse 1816, Best. 207 Ab Nr. 107, 2
– Niedersächsisches Landearchiv Oldenburg, Oldenb. Brandkasse 1845, Best. 207 Ab Nr. 113
– Niedersächsisches Landearchiv Oldenburg, Oldenb. Brandkasse, 1900 Buch 1,
– Niedersächsisches Landearchiv Oldenburg, Best. 76 – 20 A Nr_257
Vorher-Nachher:
Bildnachweise:
Haus Bruns ca 1900: Archiv Stadtgeschichte/Hochgartz Bestand
Haus Bruns vor dem Schaufenster-Einbau: Archiv Stadtgeschichte/Hochgartz Bestand