Der größte und repräsentativste Bau im Stadtpark auf historischem Grund ist das Amtsgericht von 1909.
Nachdem das alte Amtshaus mehr als 100 Jahre als Verwaltungsmittelpunkt ausgereicht hatte, wurden die Aufgaben der Behörden umfangreicher und ein Neubau beschlossen. Den Plan, diesen in Verlängerung des alten Amtshauses in Richtung Bahnhofstraße zu platzieren, hat man schnell verworfen und sich für den Standort schräg gegenüber dem Gefangenenhaus entschieden. Das Gerichtsverfassungsgesetz von 1857 löste die Landgerichte ab, und erstmalig tauchte der Name „Amtsgericht“ auf.
Der Plan für das neue Gerichtsgebäude mit damit verbundener Hausmeisterwohnung wurde von Bauinspektor Heinrich August Ritter ausgearbeitet und bis auf kleine Änderungen ausgeführt. Besondere Schwierigkeiten machte der Untergrund mit den Fundament-Resten der Burg. Darum wurde eine Gründung mit 4 – 5 m langen Pfeilern nötig und die Arbeit war wesentlich umfangreicher als gedacht. Es entstand ein zweigeschossiger Putzbau im Jugendstil, der Sandstein imitieren sollte. Echter Sandstein für die ganze Fassade wäre zu kostspielig gewesen. Die Mitte des Walmdaches schmückt ein Turmaufbau mit kleiner Aussichtsplattform. Drei Cloppenburger Baufirmen, die auch heute noch bekannt sind – Wüstefeld, Eylers und Thobe – teilten sich die Bauarbeiten.
Besonders aufwendig ist das barockisierende Sandstein-Portal gestaltet. Bekrönt mit der Figur der Germania, und zwei zu ihren Füßen sitzenden Löwen „im reinsten Jugendstil“, die mit Schwert und Helm dargestellt ist. Mit ihrer Linken hält sie eine Tafel mit dem Wappen der Oldenburger und der Jahreszahl 1909. Die Kartusche über der Tür trägt den Wahlspruch des Hauses Oldenburg: „Ein Gott, ein Recht, eine Wahrheit“. In einer Zeit von Nationalstolz wählte man Germania, das Symbol der Einheit Deutschlands, statt Justitia. Das Tor ist eine Arbeit der heute noch bestehenden Steinmetz-Firma Dierkes. Material ist Sandstein aus Udelfangen bei Trier. Ibbenbührener Sandstein war nicht feinkörnig genug.
Wie es im Innern des Gebäudes aussah, überliefert uns ein Visitationsbericht. Die Flure waren mit Läufern belegt, die den Publikumsverkehr fast geräuschlos ablaufen ließen. Das Haus bekam einen damals noch seltenen Telefonanschluss und zwei Nebenanschlüsse. Auch eine Zentral-Heizung war vorhanden, die aber im Betrieb sehr störende Geräusche machte. Die Räume an der Ostseite mussten mit Doppelfenstern ausgestattet werden. Die dort liegenden Amtsstuben konnten nicht über 10-12°C aufgeheizt werden. Lobend erwähnt wird die gesicherte Aufbewahrung der Grundbücher.
Im März 1910 konnte das Amtsgericht vom alten Amtshaus in das neue Gebäude umziehen. Zunächst waren nur das Gericht und das Katasteramt im Untergeschoß untergebracht. Oben befanden sich die Amtsverwaltung und der Gerichtsvollzieher. Das sollte sich in den kommenden Jahren jedoch spürbar ändern. 1920, mit Einrichtung der Finanzämter, hat man das Dachgeschoß für die Finanzverwaltung ausgebaut.
Sogar als Getreidelager hat das Haus nach dem 1. Weltkrieg gedient. Auf dem Dachboden lagerten 80 000 Pfund Getreide, obwohl nur 20 000 zugelassen waren.
Fünf Jahrzehnte diente das Amtsgericht den verschiedensten Dienststellen als Heimat und wurde bis in den letzten Winkel genutzt. Durch den Bevölkerungszuwachs nach dem 2. Weltkrieg und Reformen in der Verwaltungsstruktur vergrößerte sich der Raumbedarf und es musste nach 50 Jahren wieder mehr Platz geschaffen werden.
Text: Hannelore Warmhold | Archiv Stadtgeschichte
Quellen:
– Dehio, Georg (1992): Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler Bremen-Niedersachsen. München: Deutscher Kunstverlag, S. 366.
– Hochgartz, Hans (1983): Das neue Amts- und Amtsgerichtsgebäude in Cloppenburg. In: Volkstum und Landschaft, Beilage der Münsterländischen Tageszeitung 45, 04.11.1983 (112).
– Moormann, Hermann (2008): Zur Geschichte von Haupt- und Nebengebäude des Amtsgerichte. In: Volkstum und Landschaft, Beilage der Münsterländischen Tageszeitung 75, 11.04.2008 (165).
– Niedersächsisches Landearchiv Oldenburg, Best. 137, Nr. 860, Sandstein aus Udelfangen (b. Trier)